Ungarns Juden unter deutscher Besetzung
Treffen Horthy - Hitler
Miklós Horthy und die Juden
Antijüdische Maßnahmen und Gesetze
Widerstand gegen die Kennzeichnungspflicht
Deportationen nach Auschwitz
Protest des Auslands
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Treffen Horthy -
Hitler
Der neue Ministerpräsident Miklós Kállay widersetzte sich während
seiner zweijährigen Amtszeit erfolgreich den Forderungen der Deutschen,
ungarische Juden zu deportieren.
Als Horthy am 17. April 1943 in Deutschland Adolf Hitler und Joachim
von Ribbentrop traf, fragte er, was er denn mit den Juden machen solle,
nachdem er ihnen bereits die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz
entzogen hätte - schließlich könne er sie nicht alle umbringen. Ribbentrop
erklärte ihm daraufhin, daß die Juden entweder "vernichtet" oder
in Konzentrationslager gesperrt werden müßten. Einen anderen Ausweg gebe es
nicht.
Im Jahre 1944 war Ungarn das einzige von Deportationen verschonte
Land, welches sich unter deutschem Einfluß befand. Etwa 750.000 Juden
lebten zu diesem Zeitpunkt in Ungarn.
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Miklós Horthy und die
Juden
Miklós Horthy betrachtete sich schon "sein ganzes Leben"
lang als Antisemiten. Dieses äußerte er in einem Brief an Teleki. Horthy
erklärte darin weiter, daß er "den sinnlosen Demütigungen und
Unmenschlichkeiten gegenüber den Juden nicht gleichgültig sei, solange
Ungarn die Juden wirtschaftlich brauche." Zudem würde sich das
Judentum Ungarn gegenüber loyaler verhalten als die extreme Rechte, die mit
ihren wirren Überzeugungen Ungarn den Deutschen ausliefern würde.
Der deutsche Gesandte Edmund Veesenmayer berichtete in einem
Telegramm an Ribbentrop über ein Gespräch mit Horthy, welches er am 4. Juli
1944 führte:
"Am schärfsten kritisierte er
(Horthy) die Staatssekretäre Baky und Endre, wobei er letzteren als
nicht normal bezeichnete und vertraulich erwähnte, daß zwei seiner Onkeln
im Irrenhaus gestorben seien. Baky sei nur politische Windfahne, der heute
zu uns und morgen auch zu den Bolschewisten halten würde. (Baky und
Endre waren als Staatssekretäre für die Judenverfolgung verantwortlich.)
Zur Judenfrage erwähnte er, daß er
täglich von allen Seiten aus dem In- und Auslande mit Telegrammen
bombardiert würde, so vom Vatikan, vom König von Schweden, von der Schweiz,
vom Roten Kreuz, und dergleichen mehr. Er sei kein Freund der Juden, trete aber
aus politischen Gründen für die christlichen Juden ein, ferner für die
Beibehaltung der jüdischen Ärzte sowie die Belassung der jüdischen
Arbeitskompanien in Ungarn, insbesondere soweit diese für kriegswichtige
Arbeiten eingesetzt sind. Schließlich verpönte er das Thema, erging
sich in allgemeinen Ausführungen und historischen Erinnerungen, aus denen
er den Beweis liefern wollte, daß Ungarn der einzig echte Bundesgenosse des
Reichs sei."
Veesenmayer erwiderte daraufhin zu Horthy:
"... Dasselbe gelte für die
Judenfrage, die zwar von Ungarn durchgeführt, aber praktisch ohne unsere
Hilfsstellung nie gelöst werden könnte. Schon jetzt erkenne die ungarische
Bevölkerung in zunehmendem Maße, welche ungeheuren Gefahren und welche
Belastungen das Judentum für Ungarn bedeuteten. Auch verbinde sich mit
seinem Namen (Horthys) insbesondere aus der Zeit nach dem Weltkrieg
die Vorstellung eines Kämpfers gegen das Judentum und den Bolschewismus und
wir täten deshalb nichts anderes als diese seine frühere Einstellung verwirklichen
zu helfen."
(Telegramm von Veesenmayer an Ribbentrop
vom 6.7.1944, in: Braham "Destruction", Doc. 186)
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Antijüdische Maßnahmen
und Gesetze
Am 15. März 1944 wurde Horthy unter einem Vorwand nach Deutschland
zitiert. Hitler stellte ihn vor die Wahl, entweder eine deutsche
militärische Besetzung heraufzubeschwören oder eine den Deutschen genehme
Regierung einzusetzen. Am 19. März kehrte Horthy nach Ungarn zurück. Mit
ihm kamen auch SS-Brigadeführer Edmund Veesenmayer, deutscher Gesandter und
Bevollmächtigter, und Adolf Eichmann. Die ungarische Regierung wurde von
Döme Sztójay angeführt, welcher zugleich Außenminister wurde. Den jüdischen
Gemeindeführern wurde befohlen, einen Judenrat zu bilden. Aufgabe des
Judenrats war es, den Juden die deutschen Anordnungen zu überbringen. Er
war zentrale Finanzierungs- und Besteuerungsbehörde und hatte eine Zeitung
herauszugeben.
Es folgte eine große Anzahl antijüdischer Gesetze und Verordnungen.
Die verbliebenen jüdischen Journalisten, Notare und Anwälte wurden
entlassen oder aus den amtlichen Registern gestrichen. Jüdische
Bankguthaben wurden gesperrt, Autos, Radios, Bücher und Kunstobjekte
beschlagnahmt. Über 600.000 Morgen Ackerland wurden enteignet. Das
Ernährungsministerium wies an, daß an Juden keine Belieferung mit Butter,
Eiern, Paprika, Reis und Mohn erfolgen dürfe. Andere Lebensmittel wurden
rationiert. Es wurden für Juden beschränkte Einkaufszeiten eingeführt. Ab
dem 29. März 1944 durften Nichtjuden nicht mehr in jüdischen Haushalten
beschäftigt werden. Mit Wirkung zum 5. April mußten alle Juden ab dem
sechsten Lebensjahr einen Judenstern tragen. Hiervon waren bestimmte im 1.
Weltkrieg ausgezeichnete Soldaten und Veteranen ausgenommen.
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Widerstand gegen die
Kennzeichnungspflicht
Die Kennzeichnungspflicht, die auch die getauften Juden betraf, stieß
auf den Widerstand der katholischen Kirche.
Nach Bekanntgabe des betreffenden Kennzeichnungserlasses richtete
Kardinal Serédi folgenden Brief an den Ministerpräsidenten Sztójay:
"Der katholische Klerus,
Geistliche, Mönche und Nonnen jüdischer Abstammung wurden von den
Anordnungen der bisherigen Judengesetze ausgenommen. Die letzten, die Juden
betreffenden Anordnungen (...) werden von manchen so ausgelegt, daß sie
auch die obigen betreffen.
Ich kann nicht glauben, daß
diejenigen, die für das Vaterland das meiste leisten und durch ihre
Berufung zum Klerus und mönchischen Institutionen gehören, von solchen
Maßnahmen heimgesucht werden, die sie der Verachtung aussetzen.
Es sei mir erlaubt, Eure Exzellenz
höflichst zu bitten, im Sinne meiner Darlegung eine erklärende Verfügung zu
erlassen, die den erwähnten Personenkreis von der neuen Regelung der
Judenfrage ausdrücklich ausnimmt. Sollte so eine Anordnung nicht getroffen
werden, wäre ich, zwar mit tiefstem Bedauern, gezwungen, kirchlichen
Personen das Tragen des sechszackigen Sternes zu verbieten, weil das der
Verleugnung des Glaubens gleichkäme. Das ist nicht zu dulden, es ist auch
nicht zu wünschen, daß sie das Symbol einer anderen Religion tragen. Ich
bin zuversichtlich, daß Eure Exzellenz meine Zeilen mit Verständnis
aufnehmen und durch Ihre Vorkehrungen eine unmögliche Situation verhindern
werden."
Antwort von Sztójay vom 5. April 1944:
"Im Besitz Ihrer geehrten
Zeilen bitte ich mir zu erlauben, daß ich Ihre werte Aufmerksamkeit auf die
in der heutigen Nummer des Budapesti Közlöny erlassene Verordnung lenke.
Sie betreffen die Ergänzung der Verordnung über die unterscheidende
Bezeichnung der Juden.
Der erste Absatz der Verordnung
enthält alle jene Vorkehrungen, die von Eurer Erlaucht verlangt
werden."
(Levai "Geheime Reichssache", S.
65 f)
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Deportationen nach
Auschwitz
Nach der deutschen Besetzung Ungarns, begannen sofort die
Vorbereitungen für die Vernichtung der ungarischen Juden.
Adolf Eichmann unterteilte Ungarn in sechs Zonen, aus denen die
Deportationen stattfinden sollten. Der erste Deportationszug, von dem 1800
Personen umfasst waren, verließ Ungarn am 28. April 1944. Ab Mitte
Mai fanden täglich vier Transporte von jeweils 3000 Juden zu dem
Vernichtungslager Auschwitz statt. Allein die Juden in der sechsten Zone,
Budapest, blieben von den Deportationen verschont. Diese wurden wegen der
Luftangriffe der Alliierten auf Ungarn in Wohnhäuser einquartiert, die in
der Nähe von vermeintlichen Luftangriffszielen lagen.
Bis zum 9. Juli, dem Abschluß der Deportationen aus fünf Zonen, waren
nach Angabe von Veesenmayer 437.402 Juden deportiert worden.
Bericht von Raoul Wallenberg über die Geschehnisse nach der deutschen
Besetzung:
"Die deutschen Truppen
eroberten Ungarn am 19. März 1944. Das Land hat annähernd 1.000.000
jüdische Bürger. Das vorherige Regime, folgend dem Beispiel der
vorangegangenen, setzte strenge Gesetze gegen die Juden in Kraft, ohne
irgendwie ihre persönliche Freiheit zu begrenzen und ihre physikalische
Existenz zu behandeln.
Nach dem Einmarsch der deutschen
Truppen wurde eine neue Regierung gebildet. Dieses ermöglichte den Eintritt
von Leuten in das Kabinett, welche die totale Ausrottung von Juden billigen
und den Deutschen aktiv jede Hilfe geben, dieses auszuführen.
(Staatssekretäre Endre und Baky, welche sich selbst exklusiv mit der
Jüdischen Frage beschäftigen.) ...
(Sie) schufen ...
Internierungslager im ganzen Land und sammelten Juden von allen politischen
und sozialen Schichten, in der Anzahl von 12.000 bis 15.000 Menschen.
Dem Judenrat wurde versichert, daß,
obwohl strenge Maßnahmen durchgeführt werden, ihr Vermögen und persönliche
Sicherheit garantiert sind, und es den Juden
möglich sein wird, ihr kulturelles und religiöses Leben fortzusetzen.
Dieses Versprechen erwies sich später als falsch.
Anfang April wurden alle Personen,
die als jüdisch betrachtet werden (aus rassischen Gründen), durch ein
Regierungsdekret gezwungen, einen gelben Davidsstern zu tragen.
Bald nach dem wurde das Vermögen
der jüdischen Leute in einer solchen Weise erfasst, daß sie nur 3.000 Pengö
zurückbehalten durften. Ihre kommerziellen Aktivitäten wurden auf allen
Stufen total gestoppt. Sie hatten ihre Wohnungen in der kürzest möglichen
Zeit zu verlassen, zum Vorteil für die durch die Bomben Obdachlosen, und
sie hatten all ihre Habseligkeiten zurückzulassen.
Diese Maßnahmen hatten noch nicht
die physische Existenz der Juden betroffen. Bald danach wurden alle Juden,
die in den Provinzen wohnten, gezwungen in die Ghettos zu gehen. Diese
waren enge und geschlossene Teile der Dörfer, wo die Fenster der Häuser an
der Seite, die nach außen ging, vernagelt waren. Die Juden durften nur die
wesentlichsten Sachen mitnehmen. Diese Siedlung sollte nur vorübergehend
sein, da das Gebiet, welches nahe der militärischen Zone lag, zum
militärisch wichtigen Gebiet erklärt wurde. Die Juden, die dort
zusammengedrängt waren, wurden in große Lager gebracht, wo sie oft ohne
Schutz vor den Elementen, ihr Schicksal zu erwarten hatten.
Beginnend am 15. Mai und seitdem
ohne Aufschub fortgesetzt wurden hunderttausende Juden aus diesen vorher
überfüllten Lagern deportiert. Einige Tage bevor ihrer gewaltsamen
Einzwängung in Viehwagen, wurden die Lager von der ungarischen Gendarmerie
umstellt und Detektive in Zivilkleidung drangen in das Gebiet ein. Sie
folterten all die Juden, Männer, Frauen und Kinder, mit unvorstellbarer
Grausamkeit, um herauszufinden, wo sie ihre Wertgegenstände versteckt
hatten. Sie verließen ihre Opfer nur, nachdem sie die Qual verlängerten.
Als die Viehwagen ankamen, wurden
die Unglücklichen mit Hilfe der deutschen SS herausgezehrt. Sie zwangen
annähernd 70-80 Männer, Frauen und Kinder in einen Viehwagen, welcher einen
Platz von nur 20 qm hat. Ihnen ist nur erlaubt, die Kleidung zu tragen, die
sie anhaben, sowie eine kleine Menge an Brot mitzunehmen. Für den ganzen
Wagen steht nur ein Eimer Wasser zur Verfügung und ein Eimer für ihre
natürlichen Bedürfnisse. Die Güterwagen werden dann versiegelt.
Dreitausend Leute werden mit jedem
Zug deportiert, und jeden Tag verlassen sechs solcher Transporte das Land.
Natürlicherweise sterben viele schon auf der Strecke.
Mindestens 80% dieser Züge sind
Todeszüge, da die Transporte direkt in die Vernichtungslager gesendet
werden. Zwei solcher Lager existieren: Auschwitz und Birkenau (in Silesia,
Polen), dessen Gaskammern und Krematorien im Mai erweitert wurden, um
speziell mit den beabsichtigten ungarischen Deportationen fertig zu werden.
Es ist möglich, daß ein bedeutsamer
Anteil von diesen Deportierten zur Arbeit bestimmt wird. In der Gegenwart
werden in den Gaskammern, welche von außen wie Bäder aussehen, jeden Tag
6000 Menschen ermordet. Die Körper werden dann eingeäschert.
Bis heute wurden all die Juden von
Ungarn (mit Ausnahme von Budapest), annähernd 700.000 Personen (Anm.: Die Zahl ist ein Fehler und wurde von
Wallenberg später korrigiert) deportiert. Die Erlässe der Regierung
waren für das ganze Land einheitlich. Die Deportationen begannen im Osten,
nahe der militärischen Zone, und erreichten allmählich die Hauptstadt. Nach
dem letzten Bericht, werden die Juden von den äußeren Vorstädten und
Dörfern in der Nähe von der Hauptstadt unter den größten barbarischen
Umständen konzentriert und dann hinter die Frontlinie (bis zum 8. Juli)
deportiert.
Die Deportationszone erstreckt sich
um Budapest. Die Juden werden in speziell mit dem gelben Stern markierten
Häusern zusammengedrängt und ihre Bewegungsfreiheit wurde streng
eingeschränkt. Dies ist die Art, wie 200.000 Juden in Budapest leben, mit
einer streng verkürzten Gelegenheit Essen zu erlangen. Viele Tausende Juden
aus der Umgebung von Budapest wurden verhaftet und interniert, unter
Bedingungen, welche noch nicht völlig klar sind. Um den 10. Juli waren ein
paar wenige Tage Trägheit in den Deportationen, aber am 16. Juli wurde ein
weiterer Zug mit etwa 1000 Personen geschickt. Es ist nicht bekannt, wer
ihn zurückorderte.
Die politische Lage ist unsicher.
Unzweifelhaft versuchen verschiedene Elemente weitere Deportationen zum
Stoppen zu bringen, aber der interne politische Konflikt könnte
katastrophale Ergebnisse für die Juden haben. Die Deutschen fordern sicher
eine totale Beseitigung der Juden. Da sind Gebiete mit tiefen Konflikt
zwischen dem Staatsoberhaupt und der Regierung, aber sogar in der Regierung
ist eine Spaltung in der Jüdischen Frage. Es ist zu befürchten, daß die
sich verschlechternde Situation bald einen explosiven Stand erreichen wird,
da das Staatsoberhaupt und die christliche Kirche wünschen, daß die
Deportationen beendet werden, aber das Staatsoberhaupt seinen Willen nicht
ausüben kann."
(Diesen Bericht sendete Wallenberg am
17.7.1944 nach Stockholm; Levai "Wallenberg", S. 50 ff)
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Protest des Auslands
Die letzten Juden Ungarns, etwa 200.000, lebten in Budapest. Diese
sollten im Juli deportiert werden. Horthy wurde Ende Juni vom schwedischen
König, dem Vatikan und der Schweiz aufgefordert, die verbliebenen Juden zu
schützen. Horthy befahl schließlich, die Deportationen einzustellen.
Weitere Gründe hierfür dürften in der Landung der Alliierten in der
Normandie und im innerungarischen Machtkampf gelegen haben.
Telegramm von König Gustaf an Horthy vom 30.6.1944:
"Nachdem ich von den
außerordentlich harten Methoden Kenntnis erhalten habe, die Ihre Regierung
gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Ungarn ergriffen hat, gestatte ich
mir, mich persönlich an Euere Hoheit zu wenden, um Sie im Namen der
Menschlichkeit zu bitten, Maßnahmen zu ergreifen, um zu retten, was von
diesem unglücklichen Volk noch zu retten ist. Dieser Appell ist durch meine
aufrichtige Sorge für Ungarns guten Namen und Ruf in der Gesellschaft der
Nationen veranlaßt worden."
(Braham "Destruction", Doc. 365)
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