[Planung] [Eintreffen in Budapest] [Ende in Sicht?]

Die Suche nach dem geeigneten Mann

Amerika und der Völkermord

Planung einer Rettungsaktion in Schweden

Raoul Wallenberg wird vorgeschlagen

Ernennung in den diplomatischen Dienst

Abreise Wallenbergs

 

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Amerika und der Völkermord

Zu der Zeit, als Ungarn von Deutschland besetzt wurde und die Deportationen begannen, wußten die Alliierten, was mit den Juden geschah. Bereits im Sommer 1942 lagen dem amerikanischen Außenministerium Nachrichten über die Ermordung der europäischen Juden vor. Das Außenministerium reagierte gleichgültig, und wollte eine Verbreitung dieser Nachrichten verhindern. Höhere Beamte des amerikanischen Finanzministeriums gaben an Präsident Franklin D. Roosevelt schließlich einen Bericht, in dem sie das Außenministerium der Duldung des Völkermords beschuldigten. Nicht zuletzt aufgrund dieses Berichts, entschloß sich Roosevelt zur Gründung des War Refugee Boards (WRB) am 22. Januar 1944.

Erlaß Nr. 9417 des Präsidenten:

Das WRB hat "alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zur Rettung derjenigen Opfer zu ergreifen, die in unmittelbarer Lebensgefahr schweben, und (ihnen) im übrigen alle denkbare Hilfe und Unterstützung zu gewähren, soweit es sich mit der erfolgreichen Weiterführung des Krieges vereinbaren läßt. ... Das Außen-, Finanz- und das Kriegsministerium werden hiermit verpflichtet, innerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeit auf Ersuchen des (WRB) die (von diesem entwickelten) Pläne und Programme durchzuführen. Die Leitungen aller Behörden und Ministerien werden hiermit verpflichtet, das (WRB) mit allen Informationen zu versorgen ... und Nachschub, Transportkapazitäten und sonstige angeforderte Hilfsmittel und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die (es) zur Durchführung der ihm durch diesen Erlaß übertragenen Aufgaben benötigt."

(Wyman, S. 234)

Lediglich das von Henry Morgenthau geleitete Finanzministerium verhielt sich kooperativ. Das Kriegsministerium lehnte die wiederholt geforderte Bombardierung von Eisenbahnlinien nach Auschwitz ab. Das Außenministerium war zum Teil hinderlich, die übrigen Regierungsorgane verhielten sich passiv. Die Finanzierung des WRB erfolgte durch private jüdische Organisationen, wie das Joint Distribution Commitee. Von Roosevelt war lediglich eine Million Dollar bewilligt worden. Durch Spenden steuerten die privaten Organisationen etwa 17 Millionen Dollar bei.

Leitender Direktor des WRB war John Pehle, welchem bis zu 30 Mitarbeiter unterstanden. Zu der Hauptaufgabe gehörte die Hilfe für ungarische Juden.

 

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Planung einer Rettungsaktion in Schweden

Der Vertreter des WRB in Schweden war Iver Olsen. Dieser bildete ein Ad-hoc-Komitee von prominenten schwedischen Juden. Zu dieser Gruppe gehörte der Stockholmer Vertreter des Jüdischen Weltkongresses Norbert Masur, der schwedische Oberrabbiner Marcus Ehrenpreis und Koloman Lauer, der Geschäftspartner von Raoul Wallenberg. Diese überlegten, wie den ungarischen Juden am besten geholfen werden konnte. Masur wollte nach einer prominenten, intelligenten Person suchen, welche einen guten Ruf genoß, nichtjüdisch war und bereit sein mußte nach Ungarn zu fahren, um dort eine Rettungsaktion für die dortigen Juden zu starten. Die Person sollte einen diplomatischen Paß erhalten und genügend Geld zur Verfügung haben.

 

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Raoul Wallenberg wird vorgeschlagen

Koloman Lauer schlug Ende Mai 1944 Raoul Wallenberg vor. Er wußte, daß dieser sich schon seit einiger Zeit bemühte nach Ungarn zu kommen, um Lauers Familie zu helfen. Die Deutschen hatten aber die nötigen Reisedokumente verweigert. Zunächst waren Rabbi Ehrenpreis und die anderen skeptisch, Wallenberg schien ihnen zu jung zu sein.

Vermutlich am 12. Juni traf sich auf abermalige Empfehlung Lauers der WRB-Vertreter Olsen mit Wallenberg. Olsen war sich sicher, den Richtigen gefunden zu haben. Wenig später, nach einem Treffen mit Wallenberg, gab auch der US-Botschafter Herschel Johnson seine Zustimmung.

Zur Wahl Wallenbergs zu dieser Aufgabe existiert ein britischer Geheimdienstbericht:

"Sie werden vielleicht daran interessiert sein, zu wissen, daß die Schwedische Regierung sich entschieden hat, an ihre Gesandtschaft in Budapest Monsieur Raoul Wallenberg einzustellen, dessen Aufgabe es sein wird, in Angelegenheiten mit Bezug zu der schlechten Lage der Juden und Personen, deren Leben oder Eigentum durch die Deutschen in Gefahr ist, zu handeln.

Wallenberg ist ein Direktor der Mellaneuropeiska Handels A.B. in Stockholm, an welcher der gut bekannte Schiffsbesitzer Sven Salén und, wie wir glauben, Stockholms Enskilda Bank interessiert sind. Die Firma hatte in den letzten zwei oder drei Jahren einen guten Handel mit Ungarn und Wallenberg hat Ungarn einige Mal in Rechenschaft für die Firma besucht.

Er gehört der selben Familie wie Marcus Wallenberg an und hat den Ruf, ein intelligenter, tüchtiger und "ziemlich geschickter" Geschäftsmann zu sein.

Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen, ein neues Gespräch mit Grafström zu führen, um zu fragen, warum gerade dieser Mann für die Arbeit, den Juden zu helfen, ausgewählt wurde und mir wurde gesagt, dies läge an seinen Bekanntschaften mit prominenten ungarischen Beamten und als Geschäftsmann sei man geeignet, in einer Position zu sein, um Einfluß im Namen dieser Unglücklichen auszuüben. (...)"

(Brief von Labouchere (Britische Gesandtschaft, Stockholm) an Haigh (Außenministerium, London), 3.7.1944; Koblik, S. 247 f)

 

 

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Ernennung in den diplomatischen Dienst

Raoul Wallenberg stellte in einem Memorandum neun Anforderungen für seine Mission. Hier eine Auswahl der wichtigsten:

1. Er erhält freie Hand auf dem Gebiet der Rettung. Er kann versuchen, auch auf dem Wege der Bestechung, Menschen zu retten.

3. Falls die versprochenen amerikanischen finanziellen Rücklagen nicht ausreichen, wird in Schweden eine Pressekampagne gestartet, um Geld aufzutreiben.

4. Er reist nach Budapest im Status eines Sekretärs der Schwedischen Gesandtschaft.

5. Das Außenministerium stimmt zu, daß Wallenberg in Budapest mit zuverlässigen Personen Kontakt aufnehmen darf, welche gegenwärtig in Opposition zu der ungarischen Regierung und den deutschen Nazis stehen.

8. Er erhält die Erlaubnis, den verfolgten Juden Asyl zu gewähren und Dokumente auszustellen, welche zum Schutz erforderlich sind.

9. Er darf den Regenten Horthy um eine Audienz ersuchen, um seine Kooperation zu sichern.

(Levai "Wallenberg", S. 41f)

 

Seine Ernennung in den diplomatischen Dienst erfüllte Wallenberg mit Stolz:

"Wenn ein Wallenberg im Dienste des Staates nach dem Auslande delegiert wurde so war es stets seine Pflicht, alles für sein Land zu unternehmen, wozu ihn der Name Wallenberg verpflichtet",

äußerte er sich gegenüber Freunden.

Raoul Wallenberg sollte offiziell im Namen Schwedens handeln. Daß der eigentliche Auftrag und die Finanzierung aus Amerika kamen, sollte geheim bleiben. Zwei Tage lang studierte Wallenberg die Berichte des Außenministeriums über die Lage in Ungarn. Danach äußerte er sich gegenüber Koloman Lauer:

"Nun kann ich bis Ende Juli nicht mehr in Schweden bleiben. Jeder Tag kostet Menschenleben. Ich werde mich schnellstens reisebereit machen."

Von Rabbi Ehrenpreis erhielt Wallenberg einen Brief für den Vorsitzenden des Budapester Judenrats Samu Stern. Ehrenpreis segnete den protestantischen Raoul vor seiner Abreise. Bei der Verabschiedung von seinen Freunden erklärte Raoul in Bezug auf seine Aufgabe:

"Ich soll versuchen, so viele Menschenleben zu retten, wie es möglich ist. So viele Leute wie ich kann, aus den Klauen der Mörder zu entreißen."

(Zitate: Levai "Wallenberg", S. 42, 45)

 

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Abreise Wallenbergs

Am 7. Juli flog Wallenberg zunächst nach Berlin. Dort traf er sich mit seiner Schwester Nina, deren Mann Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten an der schwedischen Gesandtschaft war.

Nina Lagergren erinnerte sich:

"Wir haben ihn am Flughafen abgeholt und er hat uns erzählt, was er vorhatte. Er hat von einer sehr gefährlichen Mission berichtet. Er besitze eine Liste mit den Namen aller Leute, zu denen er Kontakt aufnehmen wolle. Nicht nur Juden, sondern auch Widerstandskämpfer, Kommunisten, Sozialisten. Es war eine große Mission. Er war sehr in Eile, weil er wußte, daß täglich 10.000 Leute nach Auschwitz deportiert wurden. Er reiste mit einem Rucksack und einem Schlafsack - eine sonderbare Diplomatenausrüstung. Aber er wußte ja, was vor ihm lag."

(Lichtenstein, S. 44)

Für Wallenberg war erst für einen späteren Zeitpunkt ein Platz für den Zug nach Budapest reserviert worden. Seine Schwester dazu:

"Raoul war darüber recht ärgerlich, denn er wollte so schnell wie möglich nach Budapest, weil seine Aufgabe darin bestand, Menschenleben zu retten."

Wallenberg fuhr mit einem früheren Zug in Richtung Budapest ab. Die Fahrt mußte er im Gang des Wagens verbringen.

 

 

 

 

 

 

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