[Zur Person] [Ungarn ] [Rettung (Teil 1)] [Rettung (Teil 2)] [Schicksal] [Würdigung]

 


 

 

 

Raoul Wallenbergs Hilfsplan und seine Gefangennahme

Wallenberg plant Hilfe für Ungarn

Eintreffen der Russen

Verschwinden Wallenbergs

Raoul Wallenbergs Schicksal aus heutiger Sicht

Suche nach Wallenberg

 

(Zurück zur Übersicht)

Wallenberg plant Hilfe für Ungarn

Raoul Wallenberg entwickelte am 12. Januar 1945 einen Plan weiter, mit den Russen in Verbindung zu treten. Wallenberg wollte den Russen ein Projekt vorstellen. Zusammen mit jüdischen Beratern hatte Wallenberg ein Dokument mit Vorschlägen für die wirtschaftliche Wiederherstellung Budapests und für eine Notfalleinsatzgruppe für drohende Hungersnot und Krankheit vorbereitet. Mit Hilfe des folgenden Aufrufs, wollte er Spenden sammeln. Aus dem Aufruf gehen einige Details des geplanten Hilfswerkes hervor, so daß er in voller Länge zitiert wird:

"Ich bitte um Entschuldigung, daß ich mich in dieser unbescheiden klingenden Weise zum ersten und zum letztenmal in erster Person an die Öffentlichkeit wende.

Ich finde dies aber im Interesse von vielen Leidenden als notwendig, da meine Person aus der humanitären Aktion der Kgl. Schwedischen Gesandtschaft, dessen Leiter ich bisher war, bekannt ist. Viele Tausende haben mir in meiner Hilfsbereitschaft Vertrauen entgegengebracht und ich appelliere an dieses Vertrauen für die folgenden Ausführungen.

Ich bin Schwede, Sohn eines neutralen Landes. Mein Land und ich haben die Neutralität niemals als eine bequeme passive Aufgabe aufgefasst. Im Gegenteil. Meine Landsleute sind gegen die Leiden der Menschheit viel weniger abgestumpft als die Leidenden selbst. Es werden in Schweden für die Unglücklichen der ganzen Welt Tränen vergossen, für die schwindenden kulturellen und zivilisatorischen Güter getrauert und das ganze Land ist von Hilfsbereitschaft erfüllt. Diese Hilfsbereitschaft hat sich in den Taten der schwedischen Regierung und der schwedischen humanitären Institutionen realisiert. Wie dies allgemein bekannt ist, war eine dieser Aktionen die sogenannte humanitäre Aktion der Gesandtschaft in Ungarn.

Obwohl diese humanitäre Aktion vollkommen unpolitisch und unparteiisch tätig war, so gibt es doch gewisse - teilweise von internationalen zwischenstaatlichen Verkehr, teilweise aus anderen Motiven sich ergebende Hemmungen für eine derartige Aktion.

Ich habe nun seit vielen Monaten die Leiden des ungarischen Volkes gesehen und - ich darf es wohl sagen - seelisch mitgemacht, als wären es meine eigenen. Ich sehe nun alle Gebiete klar wo eine dringende Hilfe notwendig ist.

Eine weniger begrenzte Aktion von einer Gesandtschaft oder einer nationalen Institution kann die erforderliche Hilfe nur teilweise und durch restriktive Formalitäten besorgen. Im Hinblick auf die veränderte Lage in Ungarn haben sich meine Kollegen und ich entschieden, daß wir die humanitäre Aktion der Schwedischen Gesandtschaft verlassen werden und eine mobile, ausgeweitete und schnell arbeitende private Organisation bilden werden.

Ich möchte mir die Freiheit nehmen, Ihnen die Gebiete, in denen wir arbeiten wollen, und die Weise, wie wir, gestützt auf meine Erfahrungen, helfen können, zu umreißen.

Wir müssen für unsere Arbeit Unterstützung nicht nur allein hoffnungsvoll von der schwedischen Regierung und humanitären Institutionen erhalten, sondern auch weltweit von vergleichbaren Institutionen. Wir wünschen frei, schnell und effektiv zu arbeiten, die tatsächliche Lage bis ins kleinste Detail kennend und alle Möglichkeiten festsetzend.

Wir entschlossen uns daher, eine Organisation zu schaffen, dessen Name und Programm an die Öffentlichkeit gebracht werden muß. Daher mein erster Schritt. Dies ist nicht eine reine humanitäre Organisation, sondern auch eine wirtschaftliche Organisation. Der Weg, wie wir eine rein humanitäre Organisation, ohne einer Spur einer wirtschaftlichen Grundlage, festsetzen könnten, wäre sehr begrenzt und in vielerlei Hinsicht ineffektiv.

Auf Ansuchen meiner Kollegen haben wir diese Organisation "Das Wallenberg-Institut für Rettung und Rehabilitation" genannt. Dieses wäre der Körper, der für eine ausgedehnte Selbsthilfe für alle Teilnehmer sorgen könnte, auf dem Weg einer Kooperation.

Die Verwaltung und die Mitarbeiter dieser Organisation unterstehen meiner Anordnung. Auf der Grundlage meiner Erfahrung wählten wir die möglichst einfachste und effektivste Methode. Ich kenne meine Mitarbeiter gut, habe sie in einer Zeit des extremen Mangels kennengelernt und habe sie selbst ausgewählt. Es gab drei Leitlinien: menschliche Sympathie; Aufrichtigkeit und Leistungsfähigkeit.

Für unsere Aktivitäten wünschen wir uns, den schnellen Pfaden von privater Unternehmungslust und privater Unternehmung zu folgen. Wir wünschen uns mit Nachdruck, uns der nationalen und internationalen Hilfe anzuschließen, ohne jedoch die Verzögerungen, die sich auf den Gebieten der Rettung und Rehabilitation ereignen können, zu akzeptieren.

Ich möchte die wichtigsten Gebiete, eingeschlossen im Rahmen unserer Aktivitäten, skizzieren:

Suche nach vermissten Angehörigen, insbesondere für die Rückkehr von Kindern zu ihren Eltern. Wiederherstellen von Familienleben. Pensionen für diese, die im Krieg verletzt wurden. Wiederherstellen von kaufmännischen und geschäftlichen Kontakten. Schaffung von Arbeitsgelegenheiten. Speisung von Gemeinden. Linderung der Knappheit an Wohnungen und subventionierten Wohnen. Sammlung von Möbeln und deren Verteilung. Repatriierung und Auswanderung. (Eine getrennte Sektion für die Hilfe für Juden, einschließlich der Wiederherstellung ihrer Existenzgrundlage.) Sorge um Waisenkinder. Rettung von kulturellem Erbe. Medizinische Hilfe für Einzelne und Gemeinschaften. Bekämpfung von Epidemien. Medizin und subventionierte Pharmazeutika. Planung und Gebäude für die Gemeinschaft und Industrie. Provisorische Lager. Provisorische Krankenhäuser. Provisorische Arbeitsprojekte und ihre internationale Plazierung. Humanitärer und wirtschaftlicher Informationsdienst.

Das Gerüst von unserer Organisation zur Bewältigung der oben genannten Probleme ist zur Arbeit bereit. Nach Abwägung aller Möglichkeiten kamen wir zu dem Ergebnis, daß gruppieren und arbeiten um ein Modell zu setzen, den besten Weg bietet, um unsere Arbeit am wirkungsvollsten zu erreichen.

Aus diesem Grund normten wir die Ziele, weil der Schaden und das Leiden, welches wir zu lindern versuchen, in vielen Fällen sehr ähnlich ist. Somit sollten wir diese Modelle plazieren, bevor die betreffenden nationalen, ausländischen und internationalen Organisationen und Institutionen sie gebilligt haben und dann werden wir in einer Position sein, mit diesen zu handeln. Auf diese Weise garantieren wir, daß die Arbeit schnell und effektiv ist. Wir planen den Schaden in Schwedischen Kronen zu veranlagen, und unser Institut wird die laufende Umtauschrate festlegen.

Die finanziellen Mittel, die für unsere Arbeit benötigt werden, sollen nicht von den ausländischen Quellen kommen, sondern wir wünschen diese, von den einbezogenen Personen zu erhalten. Wir wünschen nicht, unser Institut unter die Schirmherrschaft irgendeiner Organisation zu stellen, ebensowenig soll die Mehrheit der Interessen bei irgendeiner anderen gewerblichen Quelle oder Gruppe liegen. Unsere Organisation basiert auf der kooperativen Selbsthilfe.

Jeder der sich an uns nach Hilfe wendet, wird zur gleichen Zeit ein interessierter Teil, nicht nur in seiner eigenen Angelegenheit, sondern auch in der unseren Gemeinschaft, sowohl moralisch als auch im wirtschaftlichen Sinne.

Jeder der unsere Hilfe sucht wird erfasst und wird zum Mitglied unserer Organisation, was bedeutet, daß er nicht nur Hilfe für seine Probleme erhält, sondern zur gleichen Zeit einen Anteil von den Betrag erhält, der als Gewinn betrachtet wird, entstanden aus der effektiven Arbeit, die von unserem Institut geleistet wurde.

Es wird eine Benutzungsgebühr für gewerbliche, planerische und die Bank betreffende Dienste geben, welche von dem betreffenden Department verlangt wird. Auf diese Weise wird unser Institut unabhängig, nicht nur im Hinblick der Bedienung, sondern auch aus finanziellen Blickwinkel. Wir wünschen keine Geschenke zu erhalten, noch wollen wir welche vergeben.

Jeder sollte uns helfen und mit uns aufbauen. Ich stelle mein persönliches Vermögen bloß als Anleihe, bloß als Auftakt zum Beginn zur Verfügung.

Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die wir zu überbrücken haben. Wir haben aber auch bisher gelernt große Schwierigkeiten rasch zu überwinden, oder zu überbrücken. Unsere Erfahrungen und unser Hilfswille sind laut meiner Auffassung nicht nur wertvoll, sondern auch sofort verwertbar.

Ich nehme an, daß ich mich genügend klar ausgedrückt habe und daß Sie nun mit unseren Zielen im Klaren sind.

Wenn Sie unsere Organisation zur Selbsthilfe benützen wollen, wenden Sie sich an unsere Informationsabteilung. .... "

(Levai "Wallenberg", S. 225 ff. Auf Seite 229 Abdruck des original in deutsch geschriebenen Aufrufs, jedoch nur als Ausschnitt)

 

(Zurück zur Übersicht)

Eintreffen der Russen

Raoul Wallenberg hielt sich im Gebäude des Roten Kreuzes in der Benczur Straße auf, als er den Russen am 13. Januar begegnete. Nach kurzer Zeit traf der russische Major Dimitri Demtschinko ein, welcher Wallenberg und seinen Chauffeur und Mitarbeiter Vilmos Langfelder in das russische Hauptquartier in der Königin-Elisabeth-Straße führte. Raoul Wallenberg erklärte, daß er den Kommandanten der Roten Armee, Marschall Malinowski, und die provisorische neue Regierung treffen müsse. Diese befanden sich in Debrecen, 200 km östlich von Budapest.

 

 

(Zurück zur Übersicht)

Verschwinden Wallenbergs

Am 17. Januar holte Raoul Wallenberg seine persönlichen Sachen aus dem Haus des Roten Kreuzes und übergab seinen Mitarbeitern in der Tatrastraße Geld für die laufenden Kosten. Er äußerte sich zu ihnen:

"Ich gehe nach Debrecen, aber ich weiß nicht, ob ich ihr Gefangener oder ihr Gast bin."

Zusammen mit Langfelder verließ Wallenberg in russischer Begleitung Budapest. Der 17. Januar 1945 ist der letzte Tag, an dem Raoul Wallenberg und Vilmos Langfelder als freie Männer gesehen wurden.

Bis heute konnte ihr Schicksal nicht aufgeklärt werden.

(Zurück zur Übersicht)

Raoul Wallenbergs Schicksal aus heutiger Sicht

(Zurück zur Übersicht)

Suche nach Wallenberg

Die Angehörigen von Wallenberg bemühten sich, Wallenbergs Schicksal aufzuklären. Die schwedische Regierung forderte die Sowjetunion auf, Angaben zu Wallenberg zu machen.

Die Sowjetunion gab verschiedene Erklärungen zu Wallenberg heraus. Zunächst hieß es, Wallenberg sei in der Sowjetunion und in Sicherheit. Dieses wurde korrigiert. Für lange Zeit wurde dann behauptet, daß Wallenberg sich nicht in der Sowjetunion befände. Erst 1957 erfolgte eine Änderung. Nun wurde erklärt, Wallenberg sei zehn Jahre zuvor, am 17. Juli 1947, im Lubjanka-Gefängnis in Moskau an Herzversagen gestorben. Beide Unterzeichner der "Todeserklärung" waren bei der Veröffentlichung 1957 bereits tot. Im angeblichen Todesjahr 1947 wäre Wallenberg 35 Jahre alt gewesen. Bei seiner Gefangennahme war er in körperlich guter Verfassung, ein Herzversagen als Todesursache war daher unglaubwürdig. Immerhin gaben die Sowjets zu, daß Wallenberg von ihnen gefangengenommen worden war.

Das Verhalten von Schweden in den ersten Jahren nach dem Verschwinden Wallenbergs muß als schmählich betrachtet werden. Die Bemühungen zur Aufklärung des Schicksals waren nur halbherzig, vermutlich wollte man den "großen Nachbarn" nicht verärgern. So äußerte sich der schwedische Diplomat Staffan Söderblom 1946 gegenüber Josef Stalin: "Ich persönlich bin davon überzeugt, daß Wallenberg einem Unfall oder Raubüberfall zum Opfer gefallen ist."

Auch wenn sich Schwedens Bemühungen in den letzten Jahrzehnten verstärkten, war die Ausgangslage nicht mehr so vielversprechend. Die Sowjetunion hatte sich auf den Standpunkt festgelegt, daß Wallenberg tot sei, daran hat sich bis heute nichts geändert.

Auch die zahlreichen Augenzeugenberichte, darunter von vielen deutschen Kriegsgefangenen, nach denen Wallenberg nach dem angeblichen Todesdatum noch lebend in sowjetischen Lagern gesehen wurde, führten zu keinem neuen Ergebnis.

Im Oktober 1989 wurden in Moskau Wallenbergs Angehörigen vom KGB persönliche Gegenstände Wallenbergs überreicht. Diese seien "zufällig" gefunden worden.

Auch die politische Wende in Rußland brachte keine Aufklärung des Schicksals. Gefunden wurde aber u.a. die Kopie eines Telegramms vom 17. Januar 1945, wonach der damalige sowjetische Verteidigungsminister Bulganin befahl, Wallenberg festzunehmen.

Im Vorfeld der am 22. Dezember 2000 erfolgten offiziellen Rehabilitierung Wallenbergs und Langfelders durch Rußland trat der Leiter der Rehabilitierungskommission des russischen Präsidenten, Alexander Jakowlew, mit Behauptungen an die Öffentlichkeit, Wallenberg sei 1947 vom Vorläufer des KGB erschossen worden. Beweise dafür konnte er jedoch nicht vorbringen, so daß es sich wieder um reine Spekulationen handelte. Das Schicksal Wallenbergs und Langfelders bedarf daher weiter der Aufklärung.

Daran ändern auch die am 12. Januar 2001 vorgelegten Berichte der schwedisch-russischen Untersuchungskommission nichts. Ein einheitliches Ergebnis wurde nicht erreicht. Die russische Seite hält den Tod Wallenberg im Juli 1947 für erwiesen. Dokumente oder Beweise dafür wurden jedoch weiterhin nicht vorgelegt. Die schwedische Seite hält es für möglich, daß Wallenberg nach 1947 unter einer Nummer oder einem anderen Namen geführt wurde. Weiterer Aufklärungsbedarf wurde gesehen.

(Zurück zur Übersicht)