Christoph Gann: Raoul
Wallenberg. So viele Menschen retten wie möglich, C.H. Beck Verlag, München 1999
DIE ZEIT, Hans-Martin Lohmann,
25.11.1999, Politisches Buch
Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Jasper von Altenbockum, 22.12.1999
Das Parlament, Ursula Homann,
15.10.1999
Die politische Meinung,
Giselher Schmidt, Dezember 1999
Süddeutsche Zeitung, Elke Schubert,
17.11.1999
Meininger Tageblatt, P.
Schmidt-Raßmann, 16.09.1999
Lew Besymenski/Ulrich Völklein:
Die Wahrheit über Raoul Wallenberg, Steidl-Verlag, Göttingen 2000
Bernt Schiller: Raoul Wallenberg.
Das Ende einer Legende, Verlag Neues Leben, Berlin 1993
Theo Tschuy: Carl Lutz und die
Juden von Budapest. (Vorwort von Simon Wiesenthal), NZZ-Verlag, Zürich 1995
Enrico Deaglio: Die Banalität des
Guten. Die Geschichte des Hochstaplers Giorgio Perlasca, der 5200 Juden das Leben rettete,
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1994
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"Raoul Wallenberg. So viele
Menschen retten wie möglich."
von Christoph Gann, C.H. Beck Verlag,
München 1999
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DIE ZEIT, Hans-Martin Lohmann, 25.11.1999, Politisches Buch
"Licht der Hoffnung
Über Leben und Wirken des Raoul Wallenberg
(...) Wenn es in all der Finsternis einen Hoffnungsfunken gab, dann
verknüpft er sich nicht zuletzt mit dem Namen Raoul Wallenbergs, der zwischen Juli 1944
und Januar 1945 Zehntausende Budapester Juden vor der sicheren Vernichtung durch die
Nationalsozialisten und ihre ungarischen Helfershelfer bewahrte. Aber wer hierzulande
kennt Wallenberg? Selbst unter vielen historisch Gebildeten ruft die Nennung seines Namens
kein Wiedererkennen, keine wissende Resonanz hervor, und noch 1995 sah sich das
Bundesministerium für Post und Telekommunikation außerstande, Wallenberg anlässlich des
50. Jahrestages seines mysteriösen Verschwindens mit einer Briefmarke zu ehren.
Aber auch kein Geringerer als Raul Hilberg versäumte es in seinem
Standardwerk über die Vernichtung der europäischen Juden, dem Schweden ein Denkmal zu
setzen, wenngleich es darin ein eigenes Kapitel über das Schicksal der ungarischen Juden
gibt. Obwohl dort von "Schutzpässen" die Rede ist, deren Ausstellung im
Wesentlichen auf Wallenbergs Wirken zurückgeht, wird sein Name nirgends erwähnt. (...)
Wenn es um die so genannte Vergangenheitsbewältigung geht, hat sich
die deutsche Justiz nach 1945 in den allermeisten Fällen als notorisch hartleibig
erwiesen. Deshalb darf man es ohne Vorbehalt begrüßen, dass ausgerechnet ein Richter am
Landgericht Meiningen, Christoph Gann, sich seit Jahren darum bemüht, den Spuren jenes
Mannes nachzuforschen, über dessen Lebenszeit die Enzyklopädie lapidar vermerkt:
1912? (...)
Der Autor hat die bisher bekannten Quellen und Darstellungen kritisch
gesichtet sowie neue Quellen erschlossen und ausgewertet, um das Wirken Wallenbergs im
Interesse der Rettung der bedrohten Budapester Juden so lückenlos wie möglich zu
dokumentieren. (...)
Über Wallenbergs Schicksal ist immer wieder spekuliert worden. Gann
geht auf alle Vermutungen und Gedankenspiele ein, auch wenn sie noch so abstrus klingen.
Für ihn bildet sich am Ende einer peniblen Prüfung der zugänglichen Quellen und
Zeugenaussagen eine Lesart heraus, die zumindest politisch einiges für sich hat. (...)
Es gehe, schreibt Gann, nicht um ein Denkmal für Raoul Wallenberg, es
gehe um die Wahrheit. Womöglich hat das postsowjetische Russland auch heute noch Gründe,
Dokumente zurückzuhalten, weil Personen leben, die in den Fall Wallenberg verstrickt
sind. Oder könnte es gar sein, dass auch andere Länder wie Großbritannien, Deutschland
und Israel an einer vollständigen Aufklärung nicht wirklich interessiert sind?
Wie nur wenige verkörperte Raoul Wallenberg eine menschliche Hoffnung
im düsteren 20. Jahrhundert. Es ist das Verdienst von Christoph Gann, wenn diese Hoffnung
auch im 21. Jahrhundert fortlebt."
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Frankfurter Allgemeine Zeitung , Jasper von Altenbockum, 22.12.1999
"Im toten Winkel
Das Schicksal Raoul Wallenbergs bleibt auch nach der Öffnung der
sowjetischen Archive geheimnisvoll
Lebt Raoul Wallenberg? Fällt der Name, so wird die Frage gestellt,
eine von unzähligen im Fall Wallenberg. Das Ende des Kalten Kriegs, sollte man meinen,
macht es nun endlich möglich, dem Schicksal des Schweden auf den Grund zu gehen. Am Ende
seines spannenden Buches über Wallenberg, der im Januar 1945 spurlos in Moskau
verschwand, nachdem er mehreren tausend Juden in Budapest das Leben gerettet hatte, bleibt
aber auch Christoph Gann nichts anderes übrig, als die Fragen zu wiederholen. Warum wurde
Wallenberg verhaftet? Was geschah in Moskau? Worüber wurde er verhört? Warum wurde er
nicht freigelassen? In welchem Gefängnis, in welchem Lager wurde er festgehalten? Warum
hat die Sowjetunion, warum hat Russland, warum hat aber auch Schweden nie richtig zur
Aufklärung beigetragen? (...)
Weil keine dieser Fragen eine befriedigende Antwort fand, tauchte
jüngst eine neue auf: Warum war Wallenberg eigentlich nach Budapest gefahren? Wollte er
wirklich "nur" versuchen, "so viele Menschenleben zu retten, wie es
möglich ist", wie er kurz vor seiner Abreise in Stockholm sagte? Ein amerikanisches
und ein Hamburger Magazin warteten 1996 nach der Veröffentlichung von CIA-Dokumenten mit
der Neuigkeit auf, dass Wallenbergs Budapester Mission nur ein Tarnmanöver sei. Er habe
zwar als Legationsrat der schwedischen Botschaft tatsächlich Juden gerettet, aber
eigentlich sei er ein amerikanischer Spion gewesen. (...) Eine dünne Geschichte, aber
eine dicke Sensation.
Gann kann im ersten Teil seines Buches, in dem er sich an die Fersen
Wallenbergs in Budapest heftet, leicht zeigen, dass an der Enthüllung nichts war. Er
verkneift sich die Bemerkung, dass die Spionage-Theorie in einer Serie erstaunlicher
Versuche steht, den Verantwortlichen in Moskau ihre Aufgabe abzunehmen, das Verschwinden
Wallenbergs zu erklären. Im zweiten Teil des Buches, das den Spuren des verschwundenen
Wallenberg folgt, erfährt man dann, dass die Erfinder dieser Methode ausgerechnet in
Stockholm sitzen. Es waren zuerst das Außenministerium Schwedens und der schwedische
Botschafter in Moskau, die dem Kreml die Gründe dafür einflüsterten, warum Wallenberg
das Opfer von Kriegswirren gewesen sein könne (...)
Wallenbergs Wirken in Budapest ist legendär. Gann schenkt ihm breiten
Raum und erzählt, wie es Wallenberg gelang, durch die Verteilung von Schutzpässen etwa
15 000 Juden das Leben zu retten. (...)"
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Das Parlament, Ursula Homann, 15.10.1999
"Jeder Tag kostete Menschenleben
Hilfe für Budapester Juden Erinnerung an Raoul Wallenberg
(...) Der thüringische Richter Christoph Gann, Jahrgang 1970 er
ist auch der Initiator einer Wanderausstellung über Raoul Wallenberg und die Rettung der
Budapester Juden, - hat anhand zahlreicher neuer Quellen, detailliert und fast penibel,
Wallenbergs Umwege und Schleichwege rekonstruiert, die für die Hilfsaktionen nötig
waren. Er erzählt, wie diese im einzelnen abliefen, geht auf die politischen Ereignisse
und ihre Hintergründe in Budapest ein und schildert, wie Wallenberg mit der Ausstellung
von Schutzpässen und der Einrichtung von Schutzhäusern ungarische Juden dem Zugriff der
SS und der Pfeilkreuzler, den ungarischen Faschisten, entzog. (...) Aus Schweden, wo sogar
die jüdischen Gemeinden nur wenig Interesse bekundeten, Juden bei sich aufzunehmen,
erreichte Wallenberg die Nachricht eines Freundes: "Dankbarkeit für Deine Arbeit
wirst Du hier wahrscheinlich nicht finden." (...) Der Autor listet alle Bemühungen
und Recherchen auf, die der Aufklärung des Schicksals von Wallenberg gegolten haben, und
geht auch einzelnen Gerüchten nach. (...) Doch trotz mannigfaltiger staatlicher und
privater Initiativen blieb sein Verschwinden bis heute unaufgeklärt. (...) Der mit
Registern und Bibliographie ausgestattete Band ist sachlich und zurückhaltend abgefaßt:
Die Lektüre bestürzt und stimmt nachdenklich darüber, daß ein Mann in unmenschlicher
Zeit so viel Mut, Opferbereitschaft und Einsatzfreude für gefährdete Menschen gezeigt
hat."
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Die politische
Meinung, Giselher Schmidt, Dezember 1999
"Er zählt zu den großen Philanthropen des 20.
Jahrhunderts. Von Juli 1944 bis Januar 1945 bewahrte Raoul Wallenberg etwa 100000Juden vor
dem sicheren Tod. (...) Es ist Christoph Gann, Jahrgang 1970, im Hauptberuf Richter am
Landgericht Meiningen, dafür zu danken, daß er erneut die Persönlichkeit und die
humanitären Aktionen Raoul Wallenbergs würdigt. Bereits 1994 initiierte und gestaltete
Gann die in zahlreichen deutschen Städten gezeigte Wanderausstellung "Lichter in der
Finsternis. Raoul Wallenberg und die Rettung der Budapester Juden 1944/45". Nun hat
er eine höchstinformative und höchst lesenswerte Publikation vorgelegt, die einen
großen Leserkreis finden sollte. Insbesondere wird deutlich, daß Wallenberg trotz seiner
diplomatischen Immunität ständig in Lebensgefahr schwebte und wiederholt mit
Morddrohungen von SS-Führer Adolf Eichmann konfrontiert war. Allerdings blieb es der
sowjetischen Siegermacht vorbehalten, den Angehörigen einer Gesandtschaft, die sich auch
um sowjetische Kriegsgefangene wie um verfolgte Kommunisten gekümmert hatte, unter
Mißachtung aller diplomatischen Regeln zu verschleppen und zu inhaftieren. Der Verfasser
erwähnt erfreuliche Zeichen der Solidarität wie beispielsweise ein Schreiben von
Albert Einstein, der Stalin nachdrücklich bat, Wallenberg frei- und in seine Heimat
zurückkehren zu lassen. Respekt verdient vor allem die schwedische Medizinprofessorin
Nanna Svartz, die sich in den frühen sechziger Jahren während internationaler
Mediziner-Kongresse in Moskau intensiv für Wallenberg einsetzte und Anhaltspunkte für
sein Überleben fand. Der Verfasser nennt auch schwere Versäumnisse der schwedischen
Regierungen im Fall Wallenberg. Überzeugend widerlegt Christoph Gann Versuche auch
von westlichen Periodika Wallenberg als Spion oder Agenten zu denunzieren.
Ebenso bekräftigt der Verfasser seine Überzeugung, daß Wallenberg im Gegensatz zu
früheren sowjetischen Angaben nicht 1947 verstorben ist. Gann will sogar
"nicht ausschließen, daß Wallenberg noch am Leben ist" und dies, obwohl
er auch "die Übergabe persönlicher Gegenstände aus Wallenbergs Besitz"
wie etwa des Diplomatenpasses oder der Häftlingskarte an Familienangehörige im
Oktober 1989 erwähnt. (...) in Berlin und Leverkusen wurden Straßen, in Dorsten und in
Berlin Weißensee auch Schulen nach Wallenberg benannt. Doch es mußte irritieren, daß
das damals noch existierende Bundesministerium für Post und Telekommunikation sich 1995
der Anregung von Ignatz Bubis verschloß, eine Wallenberg Briefmarke herauszubringen. So
besteht in Deutschland noch ein Nachholbedarf in der Würdigung Wallenbergs. Einen
wertvollen Beitrag dazu hat ganz gewiß Christoph Gann mit seinem vorliegenden Buch
geleistet."
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Süddeutsche Zeitung, Elke Schubert, 17.11.1999
"Der lange Marsch
Das Buch zur Suche: Christoph Gann spürt dem verschwunden
Menschenretter Wallenberg nach
Um den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg ranken sich zahlreiche
Gerüchte. In den sechs Monaten seines Aufenthaltes in Budapest rettete er Tausende
ungarischer Juden vor den Nazi-Schergen. Sein geheimnisvolles Verschwinden kurz nach der
Einnahme Budapests durch die Rote Armee und die Vermutung, er werde in sowjetischen Lagern
oder Gefängnissen festgehalten, haben zu abenteuerlichen Spekulationen geführt. Einige
sind sogar davon überzeugt, dass Wallenberg noch lebt.
Der Jurist Christoph Gann hat eine Ausstellung über Wallenberg
initiiert, die schon in einigen deutschen Städten zu sehen war. Nun hat er auch ein Buch
über Wallenbergs Tätigkeit in Budapest und die Suche nach ihm vorgelegt. Dabei stand ihm
neues Material aus sowjetischen Archiven zur Verfügung, ebenso Zeugenaussagen von
ehemaligen Mitgefangenen.
Wie ein Untersuchungsrichter rollt Gann den "Fall" Wallenberg
auf, berücksichtigt juristische Gesichtspunkte und überprüft die Glaubwürdigkeit von
Zeugenaussagen. (...)
Christoph Gann hat akribisch jeden noch so kleinen Hinweis verfolgt,
und die Spurensuche liest sich spannender als der erste Teil. (...)
Die Nachfolger des Sowjetimperiums haben sich offiziell entschuldigt,
über Gründe kann man laut Gann nur Vermutungen anstellen. Womöglich brächte die
Wahrheit auch etliche europäische Staaten in Mißkredit. Raoul Wallenbergs Verschwinden
wird wohl immer ein Geheimnis bleiben."
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Meininger Tageblatt, P. Schmidt-Raßmann, 16.09.1999
"Den Klauen der Mörder entreißen"
Meininger Autor legt richtungsweisendes Buch über Raoul Wallenberg vor
(...) Es ist erschreckend, wie wenig der Name des schwedischen
Geschäftsmannes mit einem Diplomatenpass Raoul Wallenberg einer breiten Öffentlichkeit
bekannt ist. Dabei führte ihn sogar eine Ausgabe des Guiness-Buch der Rekorde. Man mag zu
dieser Form einer Würdigung stehen wie man will, tatsächlich ist die Rettungsaktion
Wallenbergs für ungarische Juden ein Beweis praktizierter Humanität und darf zu den
außergewöhnlichen Heldentaten des Jahrhunderts gerechnet werden, erfährt man in dem
Buch des Meiningers. Das macht das Erschrecken umso heftiger. Über Kriege, Vernichtung,
Vertreibung, Greueltaten wird hierzulande permanent und bis in Details umfassend
informiert, solch bewegender menschlicher Einsatz in unmenschlicher Zeit wie der von Raoul
Wallenberg hat eine vergleichsweise geringe allgemeine Resonanz gefunden.
"Das Buch kann einen Beitrag dazu leisten, dass Wallenberg auch in
Deutschland die verdiente öffentliche Würdigung findet", formuliert Christoph Gann,
der Meininger Autor. Dabei bedient er sowohl Leser, die noch nie etwas von der
Persönlichkeit Raoul Wallenbergs gehört haben, als er auch gleichzeitig erstmals eine
umfassende Dokumentation zu dem Thema vorlegt, die wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht
wird. So kommt der Leser auf seine Kosten, der seine Kenntnisse erweitern und vertiefen
möchte. (...) Der Leser darf teilhaben an der Freude des Autors, ja, am Ehrgeiz, Neues zu
Ehren Wallenbergs zu ermitteln und so manche bisher übernommene Information richtig zu
stellen oder zu präzisieren. (...)"
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Lew Besymenski/Ulrich
Völklein: "Die Wahrheit über Raoul Wallenberg", Steidl-Verlag, Göttingen 2000
G., Juni 2000, (Besprechung bisher
unveröffentlicht)
Die Autoren beanspruchen, die Wahrheit über das Schicksal des
schwedischen Diplomaten herausgefunden zu haben. Wallenberg sei im Juli 1947 in
sowjetischer Gefangenschaft ermordet worden. Diese These, und mehr als eine solche ist es
nicht, vermögen die Autoren jedoch in keiner Weise überzeugend zu begründen.
Das Wesentliche des Buches war von den Autoren bereits 1996 in
Artikeln im STERN und SPIEGEL verwendet worden. Überzeugender sind die Behauptungen auch
im Buch nicht geworden.
Hinweise, daß Wallenberg noch nach 1947 am Leben war, würdigen die
Autoren nicht ernsthaft. Besymenskis Absolutheitsanspruch wird deutlich, als er die Frage
überprüft, ob Wallenberg während seiner Rettungstätigkeit 1944 zwischenzeitlich nach
Stockholm kam. Besymenski prüft einen möglichen Zeitraum z.B. unter Heranziehung eines
Visums. Dabei irrt er sich jedoch in den Daten, wie jeder Leser anhand des im Anhang
abgedruckten Passes leicht erkennen kann. Er beansprucht auch hier, allen Indizien
nachgegangen zu sein. Dabei kennt er anscheinend nicht einmal die öffentliche Äußerung
von Marcus Wallenberg zu diesem Thema. Bei der Überprüfung des möglichen Termins fällt
zudem auf, daß Besymenski wohl auch die Konferenz in Wallenbergs Büro vom 22. November
1944 unbekannt ist.
Das Schicksal Wallenbergs nach 1947 bleibt weiterhin offen.
Bernt Schiller: Raoul Wallenberg.
Das Ende einer Legende, Verlag Neues Leben, Berlin 1993
Informationen (Studienkreis: Deutscher
Widerstand Frankfurt am Main) Nr. 37/38 (November 1993)
"Warum die Russen Raoul Wallenberg gefangennahmen
(...) Anfang des Jahres erschien das Buch von Bernt Schiller als
Übersetzung aus dem Schwedischen. Es ist das 7. Buch in deutscher Sprache, welches sich
mit Wallenberg beschäftigt. Als Warnung sei zuvor gesagt, daß der Titel verwirrend und
falsch ist. Das Buch ist keine Biographie und es enthält keine Fakten, die eine
angebliche Legende beenden. Aus dem Originaltitel geht die Zielrichtung des Buches klar
hervor, es geht allein darum, weshalb Wallenberg von der Sowjetunion gefangengenommen
wurde.
Bernt Schiller beklagt sich zunächst aber über andere Bücher, welche
Wallenberg zum Helden gemacht hätten, sich "auf die Person konzentriert, aber die
Umgebung ausgeblendet" hätten. Wenig später scheint sich Schiller selbst zu
widersprechen. Er beklagt sich, daß "für viele, die zu der großen Publizität um
Raoul Wallenberg beigetragen haben, ... seine Person zu einer Nebensache geworden
(ist)", der "Fall Wallenberg" würde bei ihnen im Vordergrund stehen. Bei
Schiller steht nun weder die Person noch der Fall Wallenberg im Mittelpunkt, beides
wird zur Nebensache. Dies führt leider dazu, daß nur in wenigen Zeilen auf die Person
und die Rettungstätigkeit von Wallenberg eingegangen wird.
Schiller stellt ausführlichst die Aktionen des jüdischen
Rettungskomitees Vaada und da mißglückte Tauschgeschäft "Lastwagen gegen
Juden" mit der SS dar. Man glaubt manchmal, ein Buch über die Vaada vorliegen zu
haben. Ferner werden die Bemühungen Himmlers nach einem Separatfrieden ohne Rußland und
die Verbindungen eines Onkels von Wallenberg zum deutschen Widerstand ausführlich und
leider auch oft wiederholend behandelt. Auf die anderen in Budapest helfenden Diplomaten
wird jedoch nicht näher eingegangen, sofern sie überhaupt erwähnt werden. (...)
Den Hinweisen, daß Wallenberg nach 1947 oder auch heute noch
am Leben sein könnte, geht Schiller nicht nach. Schiller akzeptiert die Echtheit
der Todeserklärung, alles andere gehöre dann zur Legende. Leider fehlt ein Sach- und
Personenindex, zumal die Kapiteleinteilung und Beschriftung etwas unglücklich ist. (...)
Fraglich bleibt die Notwendigkeit des Buches. Wer etwas über die Rettungstätigkeit von
Wallenberg erfahren will, wird auf andere Bücher zurückgreifen müssen. Und über die
Vaada ist auch schon Literatur vorhanden.
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Theo Tschuy: Carl Lutz und die Juden
von Budapest. (Vorwort von Simon Wiesenthal), NZZ-Verlag, Zürich 1995
Informationen (Studienkreis:
Deutscher Widerstand, Frankfurt am Main) Nr. 43 (Mai 1996)
Carl Lutz - ein Schweizer Diplomat der half Carl
Lutz und Raoul Wallenberg. Zwei Personen, deren Leben auffallende Gemeinsamkeiten
aufweisen. Beide setzen sich für die verfolgten ungarischen Juden ein. Lutz war Schweizer
Vizekonsul, Wallenberg schwedischer Diplomat. Sie trugen beide maßgeblich dazu bei, daß
in Budapest mehr Juden als im übrigen Europa die Zeit des Nationalsozialismus überleben
konnten. Beide stammten aus neutralen Ländern, lebten eine gewisse Zeit in den USA und
kamen bei einem Aufenthalt in Palästina in Kontakt zu Juden, die aus Deutschland
ausgewandert waren.
Aber erst in Budapest lernten sie sich kennen. Lutz
konnte den später eintreffenden Wallenberg
über seine bisherigen Erfahrungen berichten.
Zunächst half Lutz Juden bei deren Auswanderung nach Palästina. Als Leiter der
"Abteilung Fremder Interessen" gehörte dieses zu seinem Aufgabengebiet. Zu den
vielen Ländern, welche die Schweizer Gesandtschaft in Budapest vertrat, gehörte auch
Großbritannien. Die Palästinazertifikate wurden Grundlage von Lutz` Rettungstätigkeit.
Er konnte erreichen, daß die ungarische und die deutsche Regierung einer bestimmten
Anzahl von Juden die Auswanderung genehmigte. Doch nur auf dem Papier. Nachdem das
Staatsoberhaupt Ungarns im Oktober durch Pfeilkreuzler gestürzt wurde, verstärkte Lutz
seine Hilfe. Es war ihm möglich, Tausende Juden unter seinem Schutz zu stellen.
Hatte Wallenberg bereits seit August Schutzpässe an
Juden vergeben, wurden nun auch von Lutz Schutzpapiere an Einzelpersonen ausgegeben.
Schweizer, schwedische und andere Schutzhäuser bildeten einen Zufluchtsort, wobei auch
dieser nicht immer von blutigen Übergriffen verschont blieb. Da viele gefälschte
Schutzpapiere im Umlauf waren, mußte Lutz zeitweise die Papiere kontrollieren.
Nach dem Krieg wurde Lutz vorgeworfen, er habe durch
die Ausstellung von Schutzpapieren seine Kompetenzen überschritten. Schon zuvor fühlte
er sich zurückversetzt, wartete lange Zeit vergebens auf eine Beförderung. Schlimmer
erging es freilich Wallenberg, der von den Sowjets gefangengenommen wurde. Sein wirkliches
Schicksal, nach seinem angeblichen Tod in einem Moskauer Gefängnis, blieb bis heute
ungeklärt. In der Würdigung finden sich wieder Gemeinsamkeiten. Wenn Lutz auch etwas im
Schatten von Wallenberg steht, erinnern an beide heute in Budapest Denkmäler.
Tschuy hat eine gelungene Biographie zu Lutz
vorgelegt. Der Autor beschränkt sich nicht allein auf die Hilfstätigkeit in Budapest,
sondern stellt auch die Aufenthalte von Lutz in Amerika und Palästina umfassend dar.
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Enrico Deaglio: Die Banalität des
Guten. Die Geschichte des Hochstaplers Giorgio Perlasca, der 5200 Juden das Leben rettete,
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1994
Informationen
(Studienkreis Deutscher Widerstand, Frankfurt am Main) Nr. 40 (Dezember 1994)
Giorgio Perlasca
"Vor 50 Jahren setzten verschiedene Personen in Budapest ihr Leben
zur Rettung der bedrohten Juden Ungarns ein. Bis zum 9. Juli 1944 waren nahezu alle Juden,
mit Ausnahme derer in Budapest, bereits nach Auschwitz deportiert worden. In Budapest
bemühten sich nun verschiedene Vertreter von neutralen Staaten, dem Roten Kreuz sowie der
päpstliche Nuntius durch Ausstellung von Schutzpapieren, Taufscheinen und die
Unterbringung in Gesandtschaftsgebäuden, den bedrohten Juden zu helfen.
Diese Tätigkeiten sind hauptsächlich auf den Einsatz von einzelnen
Personen zurückzuführen. Die bedeutendste Person, die eigens zur Rettung der verfolgten
Juden nach Budapest kam, war der Schwede Raoul Wallenberg. Über ihn sind zahlreiche
Bücher erschienen. Ebenso ist das Wirken des Schweizer Konsuls Carl Lutz und die
Tätigkeit des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes dokumentiert.
Mit der Übersetzung des Buches von Enrico Deaglio liegt nun auch eine
Darstellung der Tätigkeit des Italieners Giorgio Perlasca in deutscher Sprache vor.
Perlasca ernannte sich im Dezember 1944 selbst zum Vertreter Spaniens, nachdem der
bisherige Botschafter Budapest verlassen hatte. (...) In dem Buch erinnern sich Personen
an Perlasca, die ihm ihr Leben verdanken. (...) Das Buch enthält auch Perlascas Tagebuch
vom 2. Dezember 1944 bis zum 13. Januar 1945, der letzten Phase vor der Befreiung.
Leider wurde die Gelegenheit nicht genutzt, Fehler der italienischen
Ausgabe zu berichtigen. So wurden falsche Jahreszahlen und falsch geschriebene
Personennamen beibehalten. Unverständlich ist auch, warum Perlascas Version, Raoul
Wallenberg sei wahrscheinlich im Januar 1945 in Budapest erschossen worden, wiedergegeben
wird, wenn Deaglio selbst darauf hinweist, daß Wallenberg nach Moskau gebracht wurde.
Auch Deaglios Bemerkung, die Verfolgung der ungarischen Juden sei wenig erforscht, kann
nicht zugestimmt werden, liegen doch allein von Jenö Levai und Randolph L. Braham mehrere
umfangreiche Dokumentationen vor.
Mit Deaglios Buch wurde in Perlasca eine weitere Person, die in
Budapest erfolgreich zur Rettung der Juden beitrug, aus der Vergessenheit herausgerissen.
Kurz bevor Perlasca starb, erhielt er von Kindern aus einer Grundschule eine Tafel
geschenkt, die folgende Inschrift trug: "Für den Mann, dem wir ähnlich sein
möchten."
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